Steinheimer Stilmöbel
Kaiserreich bis Ersten Weltkrieg [1864 bis 1918]
In Steinheim i. Westfalen etablierten sich mit Gründung der „Fabrik geschnitzter Möbel – Anton Spilker“ im Jahre 1864 weitere aufstrebende Möbelwerkstätten, die bei dem bürgerlichen Wohlstand im Kaiserreich beste Entwicklungschancen nutzten. Die Steinheimer Kunsttischler samt Bildhauer und Drechsler zeichneten sich aus durch hochqualifizierte Arbeit in stilsicherem Entwurf und Sorgfalt der handwerklichen Ausführung. Zunächst war es die Oberschicht aus Adel, Großbürger- und Unternehmertum im Umkreis, die auf die fähigen Handwerksmeister aufmerksam wurde und sich ihre standesgemäßen Einrichtungen in dem jeweils bevorzugten historischen Stil anfertigen ließ. Durch Rundspruch erlangten die Steinheimer Kunsthandwerker bald überregional einen guten Ruf, der bis an die Grenzen des Deutschen Reiches und vereinzelt darüber hinaus reichte. Der Anschluss an die Eisenbahnstrecke Hannover–Altenbeken im Jahre 1872 war zweifellos von großer Bedeutung für den Erfolg der Steinheimer Stilmöbelindustrie.
Zwischen den Weltkriegen [1918 bis 1945]
Tiefgreifende Neuerungen in allen Lebensbereichen infolge der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert haben auch die Möbelwirtschaft samt Herstellung und Vertrieb ständig fortentwickelt. Das starke Traditionsbewusstsein des Publikums, das mehrheitlich seine Einrichtung im „antiken Stil“ wünschte, erforderte die Anpassung im Möbelentwurf.
Die Industrie stellte sich der großen Herausforderung, die Ansprüche der Käuferschicht mit den fortschrittlichen Herstellungsmethoden in Einklang zu bringen. Insbesondere fühlten sich die Steinheimer Möbelfabrikanten wegen ihrer anerkannt hohen Handwerkskunst berufen, den Vorstellungen der Kunden zu folgen. Ihre Erfahrung im Nachempfinden von historischen Stilarten und die Kunstfertigkeit der langjährig beschäftigten Bildhauer und Drechsler gaben den Ansporn. In den 1920-30er Jahren belieferten die Steinheimer vorwiegend anspruchsvolle Stil-Einrichtungshäuser in den größeren Städten. Mittlerweile fand der Verkauf fast ausschließlich über Kataloge mit fotografischen Abbildungen statt.
Nachkriegszeit in Westdeutschland [1945 bis 1990]
Erläuterung zur Grafik "Möbelstile in Deutschland – Das Möbelangebot aus Steinheim"
Die Grafik stellt die vorherrschenden Möbelstile in den einzelnen Epochen anschaulich dar:
Die gezeigten neuen eigenständigen Stile (rot) haben keine Vorbilder in historischen Stilen, sie kreieren eine unabhängige Formensprache ohne Bezug zur Vergangenheit.
Die typischen Möbelstile des Historismus (grün) sind auch in Steinheim bis zum Ersten Weltkrieg in der Möbelherstellung vorherrschend. Nur vereinzelt wurden hier auch Jugendstil-Möbel gefertigt. Durch beachtliche Fortschritte in der Fertigungstechnik, der Entwicklung von neuen Materialien, der Umstellung von Einzel- auf Serienfertigung und der Anpassung an moderne Raumverhältnisse entstand nach dem Ersten Weltkrieg das Genre der Stilmöbel (blau), welche historische Stile aufnahmen und mit zeitgemäßen Fertigungs- und Verkaufsmethoden produziert und abgesetzt wurden. Neben den eigenständigen Stilen, die jetzt stark von dem Bauhaus-Gedanken geprägt waren und zu schlichteren, moderneren Wohnformen führten, entwickelten sich die Stilmöbel gerade auch in Steinheim zu einem großen Erfolg. Dabei wurden vorwiegend Möbel im Altdeutschen Stil, im Chippendale-Stil sowie in barocken Formensprachen wie dem Aachen-Lütticher Barock entworfen und produziert. Der Verkauf erfolgte nun zunehmend durch bebilderte Kataloge über den Möbelhandel. Die Stilmöbelprogramme erfuhren ihren Höhepunkt zwischen etwa 1950 und 1970 und wurden bis in die 1990er Jahre gefertigt, bis sie vom Markt verschwanden.